Standortentscheidung zum Zentralklinikum

Wir beziehen uns auf die Beschlussvorlage 23.168 „Neuausrichtung Klinikum Mittelbaden gGmbH“.

Zu 1)

Beteiligungsverhältnis Die FDP Fraktion hat seit Beginn der Debatte gefordert, die Beteiligungsverhältnisse beim Verlust des Klinikums auf unserer Gemarkung auf der Basis der Bevölkerungsratio festzulegen. Nunmehr wird dem Rat eine um fast 10 % höhere Beteiligung vorgeschlagen, mit der Begründung, Baden-Baden würde sich ja den Neubau eines Krankenhauses sparen und dadurch mehr Gesellschaftsanteile halten müssen, als es ihr Bevölkerungsanteil vorsähe. Diese Argumentation ist nicht nur falsch, sie ist auch aus kaufmännischer Sicht in einem gehörigen Maße inkompetent. Die Verhandlungen mit Rastatt wurden nicht mit der notwendigen Kompetenz und Durchsetzungskraft geführt.

a. Die von uns eingeleitete externe betriebswirtschaftliche Begutachtung durch Professor Dr. Bernd Gussmann ergibt keine substantielle oder nachvollziehbare Herleitung daß das Plankrankenhaus alleine in Baden-Baden höhere Kosten für die Stadt bedeuten würde. Diese Hypothese steht auch überhaupt nicht zur Debatte. Die bisherigen 40 Prozent stammen aus der Argumentation des Nutzens für Baden-Baden. Im Umkehrschluss müsste diese unsinnige Argumentation auch gegenüber Rastatt gelten. Die Schäden für Baden-Baden gelten jedoch im Umkehrschluss faktisch als Vorteil für Rastatt: - Verlust des Hauptsitzes der Gesellschaft

- Verlust der Klinik mit > 1.300 Arbeitsplätzen (GB 2020)

- Verlust eines Grosskunden für Baden-Badener Handwerker und Dienstleister

- Das enge und patientenfreundlich nahe Netzwerk der Ärzteschaft wird zerrissen

- Mit dem Klinikbetrieb zusammenhängende Umsätze (Hotel, Restaurant, Kultur, Einzelhandel) können verloren gehen

Diese Vorteile, die sich für Rastatt ergeben werden, sollen also zusätzlich noch durch einen erhöhten finanziellen Anteil der Baden-Badener Bevölkerung flankiert werden. Fest steht, die geforderten 29,5 % Gesellschaftsanteile für Baden-Baden entbehren jeglicher analytischer Grundlage.

Auch die von der Verwaltung vorgeschlagene Sperrminorität von 25,1%, die leider eine Mehrheit im Gemeinderat kritiklos akzeptiert hat, bringt für unsere Stadt kaum Vorteile, allenfalls für wesentliche Änderungen im Gesellschaftsvertrag, die aber in der Praxis kaum von Bedeutung sind. Viel wichtiger ist: Alle wesentlichen operativen Entscheidungen kann Rastatt nach beiden Modellen zukünftig allein treffen, wenn der Gesellschaftsvertrag nicht geändert wird. Hierfür liegt uns aber kein Entwurf in der Beschlussvorlage vor. Wir würden als Gesellschafter zum Mit-Financier einer Rastätter Klinik degradiert.

Wenn wir von harten Fakten auf weiche Faktoren bei der Frage nach der gesellschaftlichen Beteiligung wechseln, dann müsste man auch berücksichtigen, daß der Landkreis Rastatt als Industriestandort Bedeutung hat, mit entsprechender Steuerkraft. Baden-Baden hingegen ist eine weltbekannte Kur- und Kulturstadt mit wenig Industrie. Baden-Baden stellt viele kulturelle Angebote zur Verfügung, die auch vielfach kostenlos sind. Diese Angebote werden gerade von Menschen aus dem Landkreis vielfach genutzt, zu gleichen Bedingungen wie die Einheimischen. Stellvertretend sei nur die philharmonische Parknacht genannt.

Uns jetzt in der Kooperation eine „fiktive Ersparnis“ beim Krankenhausbau vorzuhalten, ohne den dadurch entstehenden Verlust der städtischen Einflussmöglichkeiten zu erwähnen, ist vor allem im Hinblick auf die vergangenen Jahre, wie ich weiterhin ausführen werde, eine Unverschämtheit.

b.

Die Relation der Einwohner, die durch das Zentralklinikum versorgt werden sollen, beträgt in etwa 233 zu 55 Tausend. Der Landkreis Rastatt zeigt zudem ein stärkeres Wachstum in der Bevölkerung, welches sich aufgrund der unterschiedlichen Infrastrukturen zwangsläufig ergeben muss. Baden-Baden ist allein schon durch das sehr begrenzte Flächenangebot und durch die strategischen Festlegungen im Bevölkerungswachstum limitiert. Diese Fakten werden zu einer zukünftigen Verschiebung der Bevölkerungsrelation zugunsten Rastatts führen.

In den vergangenen Jahren hat jeder Einwohner Baden-Badens die fast 3 fache (2,77) Kostenbelastung im Vergleich zum Einwohner aus dem Landkreis Rastatt für das Klinikum Mittelbaden getragen. Man darf annehmen, daß die Medizinischen Leistungen der Gesellschaft aber überwiegend für die Bürger aus dem Landkreis erbracht wurden. Diese hohe Belastung war allenfalls dadurch zu erklären, daß der Gesellschaftssitz und die große moderne Klinik auf BAD-Gemarkung stand. Nichts rechtfertigt eine höhere Steuerbelastung unserer Bevölkerung mehr, wenn das Klinikum komplett von unserer Gemarkung abzieht. Auch keine virtuelle fiktive „Ersparnis“. Hier ist der Gleichheitsgrundsatz die Maxime für unsere politische Arbeit.

Die finanzielle steuerliche Belastung jedes einzelnen Bürgers getrennt nach Stadt- und Landkreis in Euro und nach Gesellschaftsanteilen zeigt für einen JahresPlanverlust des Klinikums in Höhe von 10 Millionen Euro.

Man kann erkennen, dass eine annähernd faire Lastenverteilung der zukünftigen Betriebskosten nur bei 20 % gegeben ist. Wie gesagt wird sich das Verhältnis aller Voraussicht nach zugunsten des Landkreises Rastatt verändern. Die in der Beschlussvorlage gezeigte Tabelle verschleiert in verharmlosender Weise die wahre Wirkung der Anteilsvarianten.

c. Die Investitionssumme ist bis auf vage Annahmen, vollständig unbekannt. Die Zuschusshöhe ist vollkommen unbekannt., es gibt keine Aussage hierzu. Die Werte der Altstandorte zur Finanzierung und Ablösung von Altschulden sind ebenfalls nicht beziffert. Es gibt also fast nichts, welches die Netto-Investitionshöhe definiert, ausser das inzwischen veraltete „aktiva“ Gutachten. Dass das Management des Klinikums die Kredite zur Finanzierung aufnimmt, ist nicht ungewöhnlich, aber nicht unbegrenzt! Ein Limit ist ebenfalls nicht genannt, einer unbegrenzte Bürgschaft dürfen wir nicht zustimmen.

Gleichzeitig zur besonderen Lage findet eine grundsätzliche Reform des Deutschen Krankenhauswesens statt, um die Gesundheitskosten überhaupt noch in den Griff zu bekommen, wird sich vieles verändern müssen. In dieser schwierigen strategischen Situation würde kein Unternehmer eine so gewaltige Investitionsentscheidung treffen. Im Gegensatz zu mancher formulierten Meinungsäusserung ist die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung nicht durch eine zeitnehmende und wohl durchdachte Investitionsentscheidung gefährdet. Ob die KMB gGmbH noch ein zusätzliches Jahr Verluste macht, ist durch die Vermeidung des Risikos einer Fehlinvestition allemal gedeckt. Jeder Mandatsträger ist hier zur Sorgfalt verpflichtet. Was die Personalprobleme angeht, so werden diese nicht auf einen Schlag durch den zentralen Neubau gelöst, denn auch Großkliniken leiden nachweislich unter dem gleichen Problem.

Zu 2) Name Durch die Veränderung des Namens von „Klinikum Mittelbaden“ in „Klinikum Baden-Baden Rastatt“ wird nicht mehr den Realitäten Rechnung getragen. Die Klinik befindet sich dann auf Rastatter Gemarkung, Rastatt hat den weit überwiegenden Gesellschaftsanteil. „Klinikum Mittelbaden“ träfe auch heute noch die Bezeichnung der Region, für die die Klinik gebaut werden soll, Identität stiftender. Vielleicht verleiht der neue Name dem Haus ein besseres Image, ein Opfer für den Landkreis ist er sicher nicht. Und für Baden-Baden ergeben sich aus unserer Sicht keinerlei Vorteile.

zu 3) Gemarkungstausch Die Zielerreichung für die dritte Forderung des Gemarkungstausches ist alles andere als sicher. Selbst wenn es irgendwann einmal rechtlich möglich wäre, so ergeben sich doch in der Praxis schwierige Fragen. Eine Grenze innerhalb von Gebäuden? Ein Geburtshaus jenseits der € / Kopf 40 % 29,5 % 25,1 % 20 % Stadtkreis BAD 72,00 53,64 45,64 36,36 Landkreis RA 26,00 30,25 32,15 34,33 Seite 3 von 4 Landkreisgrenze? Dient eine solcher Tausch dem öffentlichen Wohl? Würden die Bürger einem Gemarkungstausch zustimmen? Rastatt will aber seine Souveränität über das Gebiet nicht aufgeben… Also diese Bedingung für die weitere Vorgehensweise ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht erfüllt, denn es wird auch in der Vorlage nur von einer Möglichkeit gesprochen.

Wir werden dieser Beschlussvorlage aus den genannten Gründen nicht zustimmen können.

Rolf Pilarski

Fraktionsvorsitzender