Quo Vadis Zentralklinikum ?
Das Gutachten der Endera Gruppe GmbH Krankenhausberatung untersuchte 2022 im Auftrag des Klinikums Mittelbaden gGmbH die von den politischen Gremien als Gesellschafter vorgegebenen Kriterien zur Grundstückssuche. Nicht alle für die StandortEntscheidung notwendigen Kriterien waren Gegenstand der gutachterlichen Untersuchung, wohl aber die wichtigsten zur Identifizierung geeigneter Grundstücke. Vor allem deshalb, weil wir annehmen mussten, dass das Gutachten nur eine Hilfe für den Entscheidungsprozesses sein wird, aber nicht die Entscheidung an sich ersetzen würde, waren für Baden-Baden wichtige Aspekte nicht im Kriterienkatalog für das Gutachten. Es war im Vorfeld nie deutlich gemacht worden, dass die Standortwahl ausschliesslich vom Ranking des in Auftrag gegebenen Gutachtens erfolgen würde.
Besonders die ungleiche Besetzung des Beirates macht im Nachhinein die Bedeutung des Gutachtens klar:
Rastatt entsendete ausschliesslich hochkarätige Regionalpolitiker (alle drei Bürgermeister) und stellte zudem noch den Vorsitzenden (Landrat) und seinen Stellvertreter (Kreisrat). Baden-Baden entsendete -und das war ausschliesslich eine Entscheidung der großen Fraktionen in unserem Gemeinderat- Planungsfachleute, keine Politiker: Einen Professor für Raumplanung, einen Unternehmensberater für das Gesundheitswesen, einen Diplomingenieur. Dazu fungierte der Beirat schliesslich als Bewertungskommission mit entscheidendem politischen Übergewicht zugunsten Rastatts. Es ist infolgedessen nicht verwunderlich, dass bei der Bewertung zur Kriterienerfüllung der einzelnen optionalen Grundstücke eine gewisse Subjektivität erkennbar wurde, die beide Rastatter Standorte auf die Spitzenplätze hievte.
Bemerkenswert im Begutachtungsprozess ist die Tatsache, dass die Gutachter für ihre Projektarbeit nicht über die seinerzeit laufende Umweltverträglichkeitsstudie zur Verkehrsentlastung des Freizeit- und Erholungsgebietes am Münchfeldsee informiert wurden. Weil diese Studie einer Bebauung des Areals entgegenstehen könnte, wurde sie von der Stadt Rastatt zurückgehalten, „man habe ja nicht danach gefragt…“ Ausserdem floss die 2017 erstellte Klimaanalyse der Stadt Rastatt nicht in das Gutachten ein, obwohl dem Standort „Am Münchfeld“ damals schon eine hohe bioklimatische Bedeutung beigemessen wurde und von einer Bebauung abgeraten wurde. Sehr wahrscheinlich hätten diese Aspekte -wären sie den Gutachtern bekannt gewesen- zu einer anderen Bewertung in der Eignungsreihenfolge der Grundstücksoptionen führen müssen.
Auch die Bürgerinitiative aus Rastatt, die nicht im Baden-Badener Interesse handelt, kritisiert, dass das der Entscheidung zugrundeliegende Gutachten mehrere Punkte mangelhaft abgearbeitet habe.
Die Bürgerinitiative „Für den südlichen Stadteingang (Merzeau)“ hat sich in ihrer Informationsveranstaltung Ende März 2023 offen darüber beklagt, dass Baden-Baden Rastatt erpressen würde und nachtäglich folgende Bedingungen aufgestellt hätte:
• Der Name der Klinik müsse Baden-Baden beinhalten,
• Es müsse ein Gebietstausch erfolgen, damit Babys den Geburtsort Baden-Baden bekommen können,
• Baden-Baden würde seine Zahlungen reduzieren, wenn die Klinik nach Rastatt käme.
Tatsache hierzu ist, dass die beiden ersten Wünsche von der Badener CDU-Fraktion artikuliert und begründet wurden. Der Klinik-Name wurde dem Rat mit „Zentralklinikum Baden-Baden Rastatt“ vorgeschlagen. Den dritten Punkt hinsichtlich der Gesellschafteranteile hat die FDPFraktion bereits 2021 erstmals formuliert.
Die Frage nach den Gesellschaftsanteilen hängt nämlich wesentlich von der Standortentscheidung ab. Die Ratio der Bevölkerungsanteile zwischen den Kreisen Rastatt und Baden-Baden betrug 2022 etwa 81 zu 19 Prozent. Wesentliches Kriterium, warum BadenBaden damals bereit war 40 Prozent der Gesellschaftsanteile an der KMB gGmbH zu übernehmen war, dass der Sitz des Unternehmens und möglicher zukünftiger Tochtergesellschaften in Baden-Baden bleibt. Ansonsten gäbe es keinen Grund dafür, dass Baden-Badener Bürger pro Kopf einen doppelt so hohen Anteil an den bisher entstandenen Millionenverlusten getragen haben, als ihnen nach dem Bevölkerungsanteil zuzumuten gewesen wäre. Deshalb mussten wir fairerweise diese Frage stellen, für den Fall, dass die Gesellschaft nach Rastatt abwandert. Sollte das Zentralklinikum nicht auf unserer Gemarkung bleiben, werden wir beantragen, den Gesellschaftsanteil an der KMB gGmbH auf maximal 20 Prozent zu verringern und damit zu halbieren.
Die vom Oberbürgermeister vorgeschlagene Höhe des Gesellschafteranteils in der Höhe der Sperrminorität (25,1 %) halten wir für nicht sinnvoll, denn sie belastet im Falle weiterer Verluste der Gesellschaft die Bürger Baden-Badens mehr, als die des Landkreises Rastatt. Wesentliche Vorteile für die Stadt Baden-Baden als Gesellschafter sehen wir durch die Sperrminorität nicht, im Gegenteil, der finanzielle Aufwand wäre ohne Not mindestens 5% höher. Die Gründe für den Wunsch nach der Sperrminorität wurden vom Oberbürgermeister dem Gremium auch nicht erläutert. Außerdem bliebe als Alternative auch die mögliche Änderung des Gesellschaftsvertrages, wenn beide Gesellschafter zustimmen.
Für die Erschliessung und Realisierung des Zentralklinikums am Münchfeldsee ist der Bau einer Umgehungsstrasse erforderlich, eine Querspange südlich von Rastatt zwischen B3 und L75. Diese Querspangenplanung fand in der gutachterlichen Bewertung eine entsprechende Berücksichtigung. Die Entlastungsstrasse soll teilweise über die Baden-Badener Gemarkung geführt werden.
Hierzu würde eine Mehrheitsentscheidung im Baden-Badener Gemeinderat erforderlich sein.
Was ist für Baden-Baden wichtig?
Der Name Baden-Baden steht seit vielen Jahren, ja seit Jahrhunderten für Gesundheit, Erholung und Wohlbefinden. Die römischen Bauten zeugen von dieser Historie ebenso wie das heute noch in Betrieb befindliche Haus Baldreit, das stellvertretend für viele historische Badehäuser genannt werden kann.
Hier in Baden-Baden starb Robert Koch, ein Arzt, der als einer der erfolgreichsten Arzneimittelforscher galt. Hier wirkte Dr. Groddeck, der Wegbereiter der Psychosomatik. Auch durch die vielen Kliniken und Ärztehäuser wird deutlich, welche Bedeutung das Gesundheitswesen für unsere Kurstadt hat. Der Verlust der Stadtklinik würde unserer bisherigen Entwicklung entgegenstehen, ja unsere Strategie konterkarieren und unsere Position als Gesundheitsstadt deutlich schwächen.
Wir brauchen einen Entscheidungsprozess zur Standortfrage, hinter dessen Objektivität, Neutralität und Wertigkeit unsere Bürger sich versammeln können.
Ein Entscheidungsprozess, der sämtliche, für Baden-Baden wichtige Entwicklungskriterien berücksichtigt. Zudem müssen möglichst umfänglich alle zugänglichen und erfahrbaren Fakten besonders zu Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit in die Entscheidung eingebunden werden.
Wir können erwarten, dass die gewählten Mandatsträger sich gut informiert für das Wohl der Stadt Baden-Baden auch bei dieser Entscheidung mit voller Kraft einsetzen und dass den Bürgern ein gewisses Mitspracherecht eingeräumt wird. Der banale Verweis auf ein kritikwürdiges Gutachten reicht nicht aus.
Für uns hat der Nachhaltigkeitsgedanke eine besondere Bedeutung, weil wir nur sehr begrenzt über Flächen verfügen. Eine nicht mal 50 Jahre alte Klinik, die mit immensen öffentlichen Geldern erbaut und instand gehalten wurde und wird, darf nicht plötzlich nutzlos und wertlos werden.
In Rastatt würde ein Raum entwertet, der in der Regionalplanung als Grünzug mit deutlichem Erholungswert und Bedeutung für Umwelt- und Artenschutz ausgewiesen ist und andererseits würden wir ein bestehendes Zentralklinikum im schlechtesten Fall nutzlos stehen lassen? Im Ergebnis würde noch mehr Oberfläche versiegelt, statt auf Flächennutzung, Flächenplanung und Nachhaltigkeit zu achten. Da wird der Regionalplan den Interessen der politischen Entscheider angepasst und auf umweltschonenden Flächenverbrauch kein Wert mehr gelegt.
Medizinisch gesehen macht ein Zentralklinikum durchaus Sinn, hauptsächlich wegen der konzentrierten medizinischen Kompetenz. Aber auch Nachteile sind bei bestimmtem Pandemiegeschehen, wie wir zu Zeiten von Corona, denkbar. Die Zentralisierung ermöglicht sicher eine höhere Personaleffizienz und vermeidet Redundanzen, verringert aber -volkswirtschaftlich gesehen- die Lohnsumme für die betroffenen Kreise durch Personaleinsparungen. Weiterhin sind kürzere Wege, modernere Energie- und Raumkonzepte möglich, die für den technischen Fortschritt in der Medizin wichtig sind. Deshalb stellen wir den medizinischen Aspekt der Zentralisierung nicht in Abrede.
Schlussfolgerungen
Wir warten den Bürgerentscheid zum Standort Münchfeldsee am 7. Mai ab. In Abhängigkeit des Ergebnisses wird es -wie von den Gesellschaftergremien mehrheitlich und gegen unsere Stimmen beschlossen- zu einer vertieften Untersuchung des Standortes Münchfeldsee kommen, oder der Standort Münchfeldsee wird von der Stadt Rastatt als Option zurückgezogen. Die Entscheidung der Rastatter Bürger ist für den Rat der Stadt bindend. Für den Fall, dass der Münchfeldsee nicht mehr zur Verfügung stehen würde, gibt es keinen Automatismus der bestimmt, dass die in der Bewertungsreihenfolge nächst platzierte Option zum Zuge kommt. Damit würde die Standortfrage neu gestellt werden müssen.
Sollte der Bürgerentscheid nicht erfolgreich sein, hängt der weitere Prozess vom Ausgang der vertieften Standortuntersuchung ab, bei der nunmehr auch Umweltgutachten und die Umweltverträglichkeitsstudie in das Ergebnis einfliessen werden. Uns geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit, besonders bei so großen Investitionsentscheidungen, und deshalb lassen wir uns nicht drängen. Wir werden dafür kämpfen, dass Baden-Baden seinen Klinikstandort nicht verliert.
Rolf Pilarski Stadtrat
Fraktionsvorsitzender