Offener Brief Ehrenbürgerschaft

Die nunmehr vom Gemeinderat getroffene Entscheidung zur Ehrenbürgerschaft wirft Fragen auf, die von der FDP-Fraktion bereits gestellt wurden, aber deren Beantwortung noch aussteht.

Seit der Zeit der Aufklärung in Frankreich, verbunden mit den Namen berühmter Denker wie Rousseau und Voltaire, bemüht sich die Gesellschaft um die Gleichstellung der Menschen und besonders um die der Geschlechter. Diese Wertvorstellungen, die sich vor 325 Jahren zu bilden begannen, liegen auch unserer heutigen Demokratie zugrunde und sind im Grundgesetz manifestiert. Diesen Werten ist unsere Stadt in besonderem Maße verpflichtet, durch das enge Bekenntnis zu unserer Verfassung und durch unsere gelebte friedfertige Internationalität, nicht zuletzt auch durch die veritable Aussöhnung und Freundschaft mit der französischen Nation.

Vor diesem Hintergrund waren wir der Meinung, daß in der Frage der Ehrenbürgerschaft die Kriterien weitergefasst werden müssen. Unsere Entscheidungen dürfen bei den Menschen nicht den Eindruck entstehen lassen, daß Bürgermeister und Rat dem bis in die Siebziger Jahre praktizierten Patriarchat folgen. Die Entscheidung vier Männer mit unzweifelhaften Verdiensten zu Ehrenbürgern zu ernennen, ist aber zumindest unvollständig, und es wäre interessant, hierzu die Meinung der Gleichstellungsbeauftragten zu hören.

Marie von Hamilton war 1848 vor fast 180 Jahren die letzte Frau, die am 29. August zur Ehrenbürgerin ernannt wurde, zuvor Großherzogin Stephanie und Frederike von Schweden.

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, so sagt der Volksmund, oft zu Recht. Sowohl Frau Grenke, als auch Frau Kiener sind Mitbegründerinnen ihrer Stiftungen. Sie haben das philanthropische Wirken ihrer Gatten durch ihren Einsatz mitgestaltet. Ist es dann nicht notwendig, die Frage nach der Ehrung der Frauen zu stellen, im besonderen und im Allgemeinen? Ist es nicht auch an der Zeit, karitativ tätige Menschen, die ganz besondere, außergewöhnliche und einzigartige Leistungen vollbringen, in gleichem Maße zu würdigen?

Mit liberalen Grüßen

Rolf Pilarski

Fraktionsvorsitzender